Rock am Ring 2024 – Drei Tage Rock und geile Leute
Vom 7. bis 9. Juni 2024 wurde die Eifel wieder zur Hauptstadt des Rock. Rock am Ring feierte sich selbst – und die Musik. Inmitten von Staub, Sonnenstrahlen, Schweiß und Bier entstand ein Gemeinschaftsgefühl, das nur Festivals dieser Größenordnung erzeugen können. In einer Welt, die manchmal aus den Fugen gerät, war Rock am Ring ein Zufluchtsort – laut, roh, ehrlich.
Freitag, 7. Juni – Wenn die Lautsprecher erwachen
Schon am Vormittag herrschte auf dem Gelände eine elektrische Spannung. Zelte flatterten im Wind, Dosenbiere ploppten, und aus jeder Ecke klang Musik – das kollektive Aufwärmen für das, was kommen sollte.
Die Sonne brannte noch gnädig, der Staub hielt sich zurück, und das Rock am Ring-Gelände war bereits gut gefüllt – ungewöhnlich für diese frühe Stunde. Doch das hatte einen Grund: Querbeat eröffneten die Hauptbühne. Und wer schon einmal ein Konzert dieser Band erlebt hat, weiß: Das wird kein gemütlicher Einstieg. Das wird Karneval meets Stadionrock. Das wird Euphorie im Bläsersatz.
Die 13-köpfige Band aus Köln kam nicht einfach auf die Bühne – sie stürmte sie. Schon mit den ersten Takten von „Randale & Hurra“ sprang der Funke über. Die Bläser – Trompeten, Posaunen, Saxophon – trugen die Melodien wie Banner vor sich her, während die Percussion groovte wie ein Straßenumzug in Rio. Sänger Roman Frieling war überall zugleich: auf der Bühne, auf den Boxen, am Bühnenrand – ständig in Bewegung, ständig im Kontakt mit dem Publikum.
Was Querbeat auszeichnet, ist nicht nur musikalisches Können, sondern diese verrückte Mischung aus Straßenmusik, Brassband, Funk, Pop und politischer Haltung. Das Set ließ keine Pause zu – „Guten Morgen Barbarossaplatz“, „Früher wird alles besser“, „Allein“ – jeder Song wurde zum Mitsing-Moment, jeder Refrain zur kollektiven Ekstase.
Einer der emotionalsten Momente kam mit „Kein Kölsch für Nazis“. Vor dem Song nahm sich die Band einen Moment, die Bühne zu verlassen – im Hintergrund leuchtete auf der LED-Wand groß die Botschaft: „Love Music – Hate Fascism“. Dann kehrten sie zurück, nicht allein: Auf der Bühne standen plötzlich Menschen mit roten Fahnen, mit Statements gegen Hass und Diskriminierung. Eine lautstarke, musikalische und glaubwürdige politische Ansage, die vom Publikum frenetisch gefeiert wurde.
Die Band hatte die Bühne nicht nur zur Partyzone gemacht, sondern auch zur Plattform für klare Botschaften – authentisch, sympathisch, unmissverständlich.
Doch das absolute Highlight des Auftritts kam unvermittelt: Die Band kündigte einen „ganz besonderen Moment“ an – und dann stürmte „Red Flags“, ein aufstrebender Band aus Köln, mit auf die Bühne, die bisher noch nie auf einem Festival gespielt hatten und von den Fans gefeiert wurden.
Als Beartooth gegen Mittag die Bühne betraten, war das Festival schon im vollen Gange. Frontmann Caleb Shomo brüllte sich die Seele aus dem Leib, während die Menge die ersten Pits des Wochenendes eröffnete. Der staubige Boden wurde zum Tanzparkett des Wahnsinns.
Danach: Dropkick Murphys. Folk-Punk mit Pogopräzision. Fahnen wurden geschwenkt, Bierbecher flogen, und „The State of Massachusetts“ wurde zum Hymnus gegen Sorgen und Alltag. Man sah sich an, grinste – und sprang weiter.
Gegen Abend dann eine der meistdiskutierten Performances: Scene Queen. Pinke Corsage, harter Sound, feministische Texte. Zwischen Faszination und Verstörung lieferten sie eine Show, die alles andere als gleichgültig ließ.
Am Abend übernahmen dann die ganz Großen das Ruder. Avenged Sevenfold fegten über die Bühne mit einer präzise inszenierten Metal-Show, komplett mit flackernden Flammen und einer Setlist voller Fan-Favoriten – darunter „Hail to the King“, „Nightmare“ und „Afterlife“. Die kalifornische Band war musikalisch auf den Punkt, aber es war vor allem die cineastische Atmosphäre ihrer Show, die beeindruckte.
Und dann… Die Ärzte. Fast schon spirituell war das Gefühl, als „Schrei nach Liebe“ über die Menge schwappte. 80.000 Stimmen, eine Botschaft. Zwischen Slapstick, Gesellschaftskritik und purer Spielfreude spielten sich Bela, Farin und Rod in den Sonnenuntergang. Niemand wollte, dass sie aufhörten.
Den krönenden Abschluss des Tages boten die Queens of the Stone Age, deren hypnotischer Wüstenrock sich wie ein psychedelischer Sturm über den Ring legte. Mit „No One Knows“, „Go With the Flow“ und Tracks vom aktuellen Album sorgten sie für einen finsteren, aber intensiven Festivalmoment unter nächtlichem Himmel.
Samstag, 8. Juni – Die Ekstase explodiert
Wer glaubte, der Freitag hätte alles gegeben, wurde am Samstag eines Besseren belehrt.
Against The Current eröffneten mit hymnischem Pop-Rock, bei dem Sängerin Chrissy Costanza die Hauptbühne zur Spielwiese ihrer Präsenz machte. Man merkte: Diese Band ist gekommen, um zu bleiben.
Royal Republic brachten dann eine ordentliche Dosis Humor und Funkrock – die Schweden glänzten mit Spielfreude und Ironie, als wären sie die coolsten Typen auf der Klassenfahrt des Lebens.
Electric Callboy schließlich sorgten für eine der krassesten Shows des gesamten Wochenendes. Die Menge: ein einziges wogendes Meer. Konfettikanonen, Neonlichter, Eurodance trifft Metalcore – eine total absurde Mischung, die genau deshalb funktioniert. Die Menge brüllte, tanzte, drehte durch. „We Got the Moves“ war keine Lüge, sondern die Wahrheit dieses Moments. Die Band nutzte jede Sekunde ihrer Spielzeit, um das Publikum zu entertainen – inklusive „Hyper Hyper“-Choreo und Moshpits soweit das Auge reichte.
Am Nachmittag standen dann die amerikanische Alternative-Rock-Band Dogstar auf der Mandora-Stage. Trotz der frühen Uhrzeit und der Platzierung auf der zweiten Bühne versammelte sich eine beeindruckende Menschenmenge, was nicht zuletzt an der prominenten Besetzung lag: Keanu Reeves, weltbekannter Schauspieler, ist Bassist der Band.
Neben Reeves besteht die Band aus Bret Domrose (Gesang und Gitarre) und Robert Mailhouse (Schlagzeug). Ihr Sound, eine Mischung aus Alternative Rock und Grunge, fand großen Anklang bei den Festivalbesuchern. Domroses ausdrucksstarker Gesang und Gitarrenspiel harmonierten perfekt mit Reeves‘ soliden Basslinien und Mailhouses dynamischem Schlagzeugspiel.
Obwohl viele Zuschauer möglicherweise nicht mit dem Repertoire von Dogstar vertraut waren, gelang es der Band schnell, das Publikum mit ihren melodischen Rockballaden zu begeistern. Ein besonderes Highlight war ihre Interpretation von The Cures „Just Like Heaven“, die das Publikum in nostalgische Stimmung versetzte.
Billy Talent und Broilers trugen die Fahne des politischen Rock. Emotionale Statements gegen Rechts, für Vielfalt, für Liebe. Als „Red Flag“ ertönte, waren alle vereint in dieser einen Bewegung, dieser einen Stimme: Rock kann Haltung haben.
Und dann kam Green Day. Was soll man sagen? Ein Moment für die Geschichtsbücher. Billie Joe Armstrong dirigierte 80.000 Menschen mit einer Energie, als wäre es 2004. „Holiday“, „Basket Case“, „American Idiot“ – jeder Song ein Klassiker, jede Zeile ein Teil der kollektiven Erinnerung. Besondere Gänsehaut gab es, als zehntausende Stimmen „Wake Me Up When September Ends“ unter freiem Himmel sangen.
Sonntag, 9. Juni – Emotion trifft Endzeit
Die Luft war schwer am dritten Tag – Erschöpfung lag über dem Gelände, aber auch eine ruhige Euphorie. Man wusste: Das Finale wird kommen. Und es wird groß.
Kraftklub rissen das Publikum mit ironischem Witz und Indie-Rock-Feuer ab. „Songs für Liam“ wurde zum Riesenchor und zu „Ich will nicht nach Berlin“ gab es kein Halten mehr. Die Chemie stimmte – im Publikum wie auf der Bühne.
Corey Taylor, bekannt von Slipknot, trat solo auf und bot eine intensive Mischung aus Metal, Alternative und Singer-Songwriter-Vibes. Die Setlist reichte von Solo-Stücken über Stone Sour bis zu vereinzelten Slipknot-Hommagen – eine seltene Gelegenheit, den Mann hinter der Maske so nah und roh zu erleben.
Und dann… MÃ¥neskin. Wow. Die Italiener sind längst mehr als ein Eurovision-Gimmick. Mit charismatischer Bühnenpräsenz, lasziver Energie und Rock’n’Roll-Glanz verzauberten sie die Menge. Sänger Damiano David verwandelte die Bühne in einen Catwalk, das Konzert in eine Oper der Verführung. „Beggin’“ verwandelte den Ring in ein brodelndes Meer.
Zum Abschluss: Parkway Drive – eine Dampfwalze aus Metal, Pathos und Pyro. Feuer, Nebel, ein Drum-Solo in Flammen – es war gigantisch. „Wild Eyes“ schloss mit einem epischen Mitsingteil, der bis in die umliegenden Wälder hallte.
Rock am Ring 2024 war, wie jedes Jahr, nicht einfach nur ein Festival. Es war ein Gefühl. Ein Ort, an dem Fremde zu Freunden wurden. An dem Schweiß und Tränen genauso Teil des Erlebnisses waren wie E-Gitarren und Circle Pits.
Es war ein Festival der Extreme – laut, leidenschaftlich, facettenreich. Es bot Raum für Nostalgie, Eskalation, politische Statements, musikalische Vielfalt und pure Euphorie. Die Organisation funktionierte reibungslos, die Soundqualität war überdurchschnittlich gut, und die Stimmung auf dem Gelände war über das gesamte Wochenende hinweg ausgelassen und friedlich.
Mit einem Line-up, das für alle Rockgeschmäcker etwas bot, setzte Rock am Ring auch 2024 wieder Maßstäbe und bewies: Rock ist nicht tot – Rock lebt, tobt und feiert sich selbst.
Wer dabei war, weiß: Es war mehr als Musik. Es war Gemeinschaft. Es war Eskapismus. Es war ein wilder, schöner, lauter Traum.
Festivalbilder
- Querbeat
- Guano Apes
- ASINHELL
- Enter Shikari
- Royal Blood
- 311
- die ärzte
- The Last Internationale
- Dropkick Murphys
- H-Blockx
- Queens Of The Stone Age
- Against The Current
- Billy Talent
- Green Day
- Dogstar
- Leoniden
- The Interrupters
- Madsen
- Broilers
- Atreyu
- Of Mice & Men
- Polyphia
- Thy Art Is Murder
- Wanda
- Kraftklub
- Corey Taylor